Verschiedene Gesetze definieren, wie groß und schwer ein üblicher Transport sein darf – und was ohne Weiteres befördert werden kann. In der Praxis müssen jedoch häufig Dinge transportiert werden, die über ein solches Normalmaß hinausgehen. In diesem Metier operieren die Spezialist:innen für Spezial- oder Sondertransporte. Wir zeigen dir, was für sie insbesondere beim Gründen anders läuft als bei herkömmlichen Transportfirmen.
Spezialtransporte im Kurzportrait
Spezialtransporte umfassen alles, was in Sachen Ladung und/oder Transportfahrzeuge aus dem Rahmen des gesetzlich Üblichen herausfällt. Primär:
- Länge,
- Breite,
- Höhe und/oder
- Gewicht.
In Deutschland sind das die sogenannten Großraum- und Schwertransporte.
Sekundär gehören Dinge zu den Spezialtransporten, die aus anderen Gründen ungewöhnlich sind. Etwa, weil von ihnen außergewöhnliche Gefahren ausgehen oder sie äußerst komplex zu verladen sind. Insofern wären Castor-Behälter ebenso ein Spezialtransport wie das Verlagern eines viele Meter langen Windrad-Rotorblattes.
Zusammengefasst müssen Spezialtransporte sich in einer Umgebung bewegen, die vielfach nicht für derartige Extreme konzipiert wurde. Daher musst du schon in der Frühphase völlig anders herangehen als bei einem herkömmlichen Transportunternehmen
Mehr Gründungskapital vonnöten
Schon das Gründen eines regulären Transport-Business’ ist nicht eben günstig, selbst wenn unter anderem Zugmaschinen und Anhänger/Auflieger serienmäßig gefertigt werden. Bei Spezialtransporten wirkt sich jedoch ihr Status als Nische aus:
- In Deutschland gibt es nur bei den Großraum- und Schwertransporten keine 500 Firmen, die sich darauf fokussieren. Dadurch ist der Markt ziemlich klein.
- Die Maschinen müssen andere Abmessungen haben und viel leistungsfähiger sein. Oftmals sind es daher Einzelanfertigungen. Das alles treibt ebenfalls die Kosten.
- Es sind vielfach zusätzliche Systeme nötig, etwa Begleitfahrzeuge oder Kräne.
All das zwingt dich, den wichtigsten theoretischen Kern deiner Gründung, den Businessplan, entsprechend aufzubauen. Du benötigst einerseits erheblich mehr Startkapital. Andererseits musst du Transportkosten und Amortisationszeiten anders berechnen. Dementsprechend kann sich ebenso das Finden von Investor:innen verkomplizieren.
Naturgemäß sorgen solche Spezialtransporte für deutlich bessere Umsätze, insgesamt jedoch sind sie seltener oder zumindest viel komplexer zu kalkulieren – nicht zuletzt deshalb, weil es unterwegs immer wieder zu unvorhersehbaren Schwierigkeiten und somit Verzögerungen kommt.
Mehr und aufwendigere Maschinen machen das Gründen deutlich kostspieliger.
Komplexere Fachkräftefindung
Ein reguläres Transportunternehmen könntest du als Ein-Personen-Business aufziehen. Du wärst also Fahrer:in, Disposition und Buchhaltung in Personalunion – schwierig, aber machbar. Bei Spezialtransporten würdest du mit diesem Ansatz jedoch aus mehreren Gründen nicht weit kommen:
- In der Praxis ist fast immer das Zusammenspiel mehrerer Team-Mitglieder zwingend erforderlich. Etwa, wenn ein sehr langer Auflieger um enge Kurven dirigiert werden muss und es dabei um Millimeter geht.
- Viele (wenngleich nicht alle) Spezialtransporte dürfen nur mit Begleitfahrzeugen durchgeführt werden.
- Die oft zusätzlich nötigen Maschinen wie Plattformwagen oder Kräne benötigen Spezialkenntnisse, um bedient werden zu können.
Insbesondere abseits der Büroarbeit wirst du in diesem Metier generell mehr Personal benötigen.
Spezialtransporte, bei denen ein:e Fahrer:in die einzige durchführende Person ist, sind eine absolute Seltenheit.
Es gibt jedoch noch mehr Herausforderungen: Solche Spezialist:innen sind noch dünner gesät als es beispielsweise herkömmliche Berufskraftfahrer:innen sind; schon dort fehlen derzeit zirka 100.000 Leute. Außerdem möchtest du für das Handling einer so komplexen und vielfach millionenteuren Fracht verständlicherweise nur die Besten der Besten engagieren – obendrein sind die Löhne in diesem Business daher deutlich höher
Jede Menge Genehmigungen erforderlich
Transporte, die über das hinausgehen, was beim Verfassen von Gesetzen oder dem Bau von Verkehrswegen und deren Umfeld erwartbar war: Du kannst dir vielleicht vorstellen, dass es in solchen Fällen unmöglich ist, ein Unternehmen „einfach machen“ zu lassen.
Aus diesem Grund ist der gesamte Bereich Schwertransporte von der Notwendigkeit geprägt, Genehmigungen, Lizensierungen und sonstige Nachweise einholen bzw. vorweisen zu müssen. Einige Beispiele:
- Für Großraum- und Schwertransporte sind mehrere Ausnahmegenehmigungen nach Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) und Straßenverkehrsordnung (StVO) nötig. Teils werden sie wenigstens für einen gewissen Zeitraum vergeben, teils aber müssen sie für jeden Transport neu beantragt werden.
- Fahrer:innen benötigen für Großraum- und Schwertransporte verblüffenderweise nur eine herkömmliche CE-Fahrerlaubnis. Die Besatzungen der Begleitfahrzeuge hingegen müssen für die Verwendung der hier vorgeschriebenen Wechselverkehrszeichenanlage geschult sein – die es zudem in mehreren Klassen gibt.
- Was Gefahrguttransporte anbelangt, geht nichts ohne entsprechende Nachweise über erfolgte ADR-Schulungen für die jeweilige Gefahrstoffklasse. Sie sind zudem durch alle Transportbeteiligten zu erbringen, selbst Disponent:innen.
Naturgemäß muss all das schon vorhanden sein, bevor du deinen ersten Auftrag annehmen kannst – was die Gründung mitunter deutlich in die Länge zieht.
Noch schwieriger wird es, weil gerade die regelmäßig bei den Ämtern einzuholenden Genehmigungen vielfach nur zögerlich bearbeitet werden. Beispielsweise können dadurch Zeitpläne durcheinandergebracht werden – nicht nur deine, sondern die deiner Kund:innen und sogar von Drittfirmen.
Keine vorhersagbaren Herangehensweisen
Das reguläre Transportgeschäft ist in jeglicher Hinsicht von vorhersagbaren Verhältnissen geprägt. Wenn eine Straße für Lkw freigegeben ist, kannst du darauf bauen, sie benutzen zu können. Die meisten Transportgüter sind irgendwie standardisiert und können deshalb ohne großes Nachdenken geladen werden – und für das Thema Ladungssicherung lässt sich alles aus Tabellen herauslesen und einfach berechnen.
Anders dagegen die Spezialtransporte. Hier ist nicht nur sprichwörtlich kein Auftrag wie der andere. An einem Tag transportierst du eine riesige Planierraupe schwerer als ein Panzer, die aber wenigstens noch mit eigener Kraft auf den Auflieger fahren kann. Am nächsten Tag hingegen musst du vielleicht erst einmal einen großen Generator aus einer vollen Werkshalle herausheben, bevor er auf den Anhänger kann.
Wo andere Disponent:innen mit herkömmlichen Routen-Tools anhand von kürzester Fahrzeit und geringstem Verbrauch planen können, musst du im Zweifelsfall zuvor die ganze Strecke abfahren und vor Ort nachmessen, ob alles wirklich noch so ist wie auf den Satellitenbildern.
Bei Spezialtransporten ist schlichtweg alles unvorhersagbarer, komplexer, herausfordernder und schwieriger. Selbst Erfahrung wirkt hier nicht so gut wie anderswo. Denn schon der nächste Auftrag kann selbst nach Jahren der Routine vollkommenes Neuland sein. Direkt damit verbunden ist eine weitere Besonderheit und Notwendigkeit.
Unkonventionelle Denk- und Handlungsweisen sind hier das wichtigste Einstellungskriterium.
Höchste Problemlösungskompetenz vonnöten
Morgens um halb drei – nichts geht mehr. Denn dein Langtransport kommt nicht um eine Kurve, weil dort irgendjemand einen Lkw extrem ungünstig abgestellt hat. Die Zeit drängt, denn du musst in nur wenigen Stunden unbedingt auf einem Rastplatz stehen, da du nicht während der Rush Hour auf der Autobahn sein darfst.
Solche Szenen sind im Spezialtransport ein stetes Risiko. Fast immer hakt es irgendwo, weil jeder Transport ein Sonderfall ist oder Unbeteiligte sich falsch verhalten. Das hat zwei Folgen:
- In den meisten Fällen wirst du derjenige sein, auf den alles zurückfällt – denn du führst einen Transport durch, der vom Üblichen abweicht.
- Du und alle Mitglieder deines Teams müssen eine extrem hohe Problemlösungskompetenz besitzen.
Letzteres ist vielleicht der wichtigste Soft Skill, der in diesem Business vonnöten ist: Die Fähigkeit, für unerwartete, plötzlich auftauchende und mitunter gigantische Schwierigkeiten binnen kürzester Zeit und unter entsprechendem Stress tragfähige Lösungen finden zu können.
Die meisten Menschen im Spezialtransport-Business sind deshalb extrem fähige Köpfe, die außerhalb beruflicher Schemata denken können – was abermals viel dazu beiträgt, warum es so schwierig sein kann, hier Fachleute zu finden.
Fazit
Der Spezialtransport ist ein Geschäft mit glänzenden Zukunftsaussichten. Hierin zu gründen ist daher definitiv keine schlechte Idee. Täusche dich jedoch nicht: Es handelt sich um ein hochkomplexes Business, das sowohl in der Gründungsphase als auch im Alltag an vielen Stellen ungleich herausfordernder ist als herkömmliche Transporte. Hier sind in jeder Hinsicht besondere Charaktere erforderlich – dann aber kann selbst die ungewöhnlichste, kniffligste Fracht äußerst reizvoll und sogar vergnüglich sein.
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